Radtour 2010 von Bozen nach Venedig
Die Idee
Zu meinem 33. Geburtstag, im Jahr 2008, habe die lieben Verwandten mir Fahrradkarten geschenkt, jeweils aus der entsprechenden Region, in der sie wohnen. Nun saß ich da, mit Karten aus dem Münsterland bis runter nach Dorsten, dem Radatlas Niederrhein von Dorsten bis Heinsberg und dem Radatlas Eifel mir Aachen, Köln und Trier als wichtigste Eckpunkte. Nach langem Nachdenken habe ich entschieden, dass diese Karten sozusagen eine Einladung zum Besuch per Fahrrad waren, schließlich wohnen die Schenkenden ungefähr im Abstand von Tagesetappen. Mit meinem alten Kumpel Steffen aus Schulzeiten habe ich einen Deppen gefunden, der mich zu meinen Verwandten begleitet, und so sind wir vom 21.9. bis zum 1.10. von Hamburg (meinem Wohnort) bis nach Kassel (Steffens Wohnort) über Dorsten, Wegberg, Aachen geradelt.
interaktive Karte
21.9. Hamburg-Bremen 135km
Das Etappenziel ergab sich quasi ganz von alleine, weil Steffen sich mit einem ehemaligen Kollegen in Bremen verabredet hatte. Wir beide hatten einvernehmlich festgestellt, dass Bremen ja genau eine Tagesetappe von dem geplanten Startpunkt Hamburg entfernt ist, und uns auf diese Etappe festgelegt. Aber weit gefehlt, denn tatsächlich liegt Bremen doch weiter weg, als wir dachten. Wir beide haben uns durch die schnellen Verkehrswege (Autobahn und Eisenbahn sind gut ausgebaut) zwischen den Hansestädten ein wenig täuschen lassen. Die Ernüchterung kam am Vorabend, als wir uns kurz über den Verlauf des Rad-Fernweges "Hamburg-Bremen" im Internet informiert haben, und dort die erschreckende Zahl "150km" lasen. Bremen lag wohl doch nicht soo dicht an Hamburg. Schnell bekamen wir raus, dass die ausgeschilderte Radroute einige Abstecher und Umwege macht, die man abkürzen kann.
Am Montagmorgen hieß es also früh aufstehen, tatsächlich sind wir aber erst um 9:15 Uhr losgekommen, da ich vor der Abreise noch einiges in meiner Wohnung erledigt habe. Bewaffnet waren wir auf dieser Etappe mit den beiden ADFC-Regionalkarten "Rund um Hamburg" und "Rund um Bremen" und einem Autoatlas 1:300.000 - die beiden Fahrradkarten überschneiden sich nicht, so dass rund um Sittensen ein kleines Stück "terra incognita" für uns lag. Die Fahrt führte uns zunächst in Hamburgs Zentrum, von dort folgtem wir dem in Hamburg leidlich aber dennoch ausreichend ausgeschildertem Radfernweg Richtung Bremen durch die Hafencity, den Freihafen, über die Elbbrücken auf die Veddel, weiter entlang der Wilhelmsburger Reichsstraße bis zu der alten Süderelbebrücke - einer tollen ehemaligen Eisenbahnbrücke, die heute nur noch von Radfahrern und Fußgängern genutzt werden darf, für mich immer ein kleines Highlight bei Radtouren in Richtung Harburg.
Unsere Fahrt ging natürlich weiter, wir verließen kurz den Radfernweg und fuhren auf direktem Weg durch Harburg in die Harburger Berge, die wir dann dem Radweg folgend erklommen. In Rosengarten verließen wir dann mir bekanntes Terrain und fuhren weiter Richtung Hollenstedt, wieder eine Schleife des Radweges abkürzend. Hinter Hollenstedt hatten wir gleich zwei Probleme: Die Detailkarte hörte auf, und wir hatten zunächst nur noch den Autoatlas, und außerdem sollten wir die A1 überqueren - aber die Brücke wurde gerade ersetzt, da die Autobahn sechsstreifig ausgebaut wird. Ein kurzer Griff zum GPS-Handy, und eine Ausweichroute über Waldwege bis zur nächsten Straßenbrücke war gefunden. In Heidenau trafen wir wieder auf den ausgeschilderten Radweg nach Bremen dem wir bis Sittensen folgten. Irgendwo unterwegs in diesem Bereich stießen wir auf ein drittes Problem: Den Radwegweiser Bremen 93km.
In Sittensen verließen wir zunächst den Radweg Hamburg-Bremen und fuhren nach Autoatlas (unterstützt durch die regionale Fahrradwegweisung) über Nebenstraßen parallel zur A1 an Zeven vorbei bis nach Nartum, wo wir endlich das Gebiet der Bremer Radkarte erreichten. Weiter ging es trotzdem über ruhige Landstraßen über Otterstedt bis nach Fischerhude. Hier wurde der Verkehr schon wieder deutlich dichter, und wir entschlossen uns, ab hier dem ausgeschilderten Radweg Hamburg-Bremen bis nach Bremen rein zu folgen. Eine sehr weise Entscheidung, denn die Route führte uns über großteils asphaltierte landwirtschaftswege durch das Wümmedelta nach Lilienthal, einem noblen Vorort von Bremen. Alleine waren wir hier allerdings nicht, denn auf diesen Wegen wurde an dem schönen Spätsommernachmittag sehr viel Sport getrieben: Joggen, Inlinen, Rennradeln usw. kann man schließlich wunderbar auf den gut befestigten Wegen. Fast ohne Kontakt zur nahen Großstadt ging es über gute Radrouten und breite Radwege bis zum Bürgerpark, und darüberhinaus direkt bis zum Bahnhof. Kurz vor dem Bahnhof mussten wir jedoch auf die Bürgerweide abbiegen, da unser vorgebuchtes Hotel noch diesseits des Bahnhofs lag. Wir haben es sehnlichst erwartet, schließlich war es mittlerweile fast 19:00Uhr - und der Tacho zeigte 135km an.
Steffen stellte den Kontakt zu Hinrich her, und so mussten wir rasch duschen, um uns um viertel vor acht schwer ausgehungert mit Hinrich am Hauptbahnhof zu treffen. Nach einer kurzen Stadtführung (natürlich zu Fuß) durch die Innenstadt landeten wir auf der Schlachte (dem Weserufer), wo ein Lokal neben dem nächsten liegt. Ich wählte kurzerhand einen Mexikaner ("den werden wir die nächsten Tage in der Pampa nicht finden") und endlich gab es das wohlverdiente Abendessen. Um ca. 22:00Uhr machten wir uns auf den Heimweg direkt ins Hotel, der Versuch, noch TV zu sehen wurde durch kontinuierliches Einnicken gestört - wir waren fertig.
Wettertechnisch war es klasse, fast durchweg sonnig, man konnte teilweise im T-Shirt fahren, aber der Westwind machte uns ein wenig zu schaffen. Natürlich gab es kaum Steigungen, auch über den alpinen Teil in den Harburger Bergen konnte der in Nordhessen lebende Steffen nur lächeln. Die Wege sind großteils asphaltiert oder sehr gut befahrbare nicht asphaltierte Forst- und Wirtschaftswege. Die Ausschilderung für Radfahrer ist nahezu vollständig, die Radroute Hamburg-Bremen wird durch ein dichtes Netz von ebenfalls ausgeschilderten Quer- und Regionalwegen ergänzt.
22.9. Bremen-Lohne 82km
Der Tag versprach eine kurze Etappe, und so sind wir nach einem ausgiebigen Frühstück erst gegen 10:00Uhr aufgebrochen. Die ersten Kilometer quer durch die Bremer Innenstadt bis zu den Weserbrücken haben wir, Dank der Erinnerungen an den abendlich Stadtrundgang vom Vortag ohne ohne uns in der Stadt zu verfahren zurückgelegt. Weiter ging es auf einem "Brückenradweg" am Bremer Flughäfchen vorbei bis Stuhr und etwas darüberhinaus. Radfahren ist in Bremen nicht nur populärer als in Hamburg, aufgrund der guten und vollständigen Ausschilderung und der tendenziell breiteren Radwege ist es auch einfacher als in meiner Heimatstadt.Weiter sind wir ab Mackenstedt durch den Naturpark Wildeshauser Geest nach Wildeshausen, wo wir einkauften und noch ein paar Kilometer bis zu einem Bahnübergang an der Strecke Delmenhorst-Osnabrück (täglich stündlich Züge) bei Rechterfeld gefahren sind.
Und da sind wir erstmal hängengeblieben, denn neben der Nahrungsaufnahme galt es auch, die Lint-Triebwagen der Nord-West-Bahn zu fotografieren. Außerdem habe ich ein wenig telefoniert, um die Unterkunft in Quakenbrück zu organisieren. Tja, die beiden in unserer Radfahrerkarte aufgeführten Hotels waren bereits belegt, und auch das Internet-Handy half nichts. Zwar fand ich vier weitere Hotels, aber die waren auch voll. Nach einem kurzen Brainstorming und zwei weiteren Telefonaten war das Etappenziel auf Lohne umgebucht. Ein weiteres Problem stellte sich: wir waren am Südrand der ADFC-Regionalkarte angelangt (1:75.000) angelangt und wechselten auf die 1:150.000 ADFC Karte - dass wir zwar auch die angrenzende Regionalkarte "Osnabrücker Land" in der Tasche hatten, merkten wir natürlich erst abends in Lohne... Jedenfalls waren wir irgendwie unmotiviert, und hühnerten uns so langsam in Richtung Lohne. Rund um Vechta haben wir etliche Probleme, den richtigen Weg zu finden, unter anderem, weil es Bauarbeiten gab, die Ausschilderung der Fahrradwege nur lücknhaft war (wir fuhren die "Boxenstopproute", die teilweise nur mit kleinen Aufklebern gekennzeichnet war) und wir mit der 1:150.000 Karte auf Feldwegen auch nicht richtig ausgestattet waren. Irgendwann sind wir frei Schnauze in eine Straße die nach Gefühl Richtung Lohne führte eingebogen, und landeten tatsächlich im Zentrum von Lohne. Genauso schwierig gestaltete sich die Suche nach dem angeblich dicht am Bahnhof liegenden Hotel - Dank Google Maps fanden wir es jedoch auch.
Das Wetter war insgesamt schön gewesen, am Morgen war es teilweise bewölkt. Gefahren sind wir großteils auf asphaltierten Wegen, auf kleineren Abschnitten aber auch Waldwege oder mit Kopfsteinen gepflasterte Feldwege. Die Ausschilderung war im großen und ganzen gut und brauchbar, lediglich im Raum Vechta war es etwas dünn, außerdem passten die ausgeschilderten Alltagsrouten, anders als in den weiteren Regionen, nicht immer zu den auf der Karte verzeichneten Wegen.
23.9. Lohne-Emsdetten 106km
In Lohne sind wir bei mäßigem Wetter sehr früh morgens aufgebrochen, und über (genau wie am Vortag) zunächst über eine im Bereich von Lohne mäßig für Radler ausgeschilderte Ausfallstraße mit viel Verkehr aus der Stadt rausgefahren, und haben uns über teilweise ausgeschilderten lokalen Radrouten, teilweise frei gewählte Straßen quer durch den nordwestlichen Ausläufer des Teutoburger Waldes schräg bis zur Landesgrenze nach Nordrheinwestfalen durchgeschlagen. Einen Zwischenhalt in Bersenbrück mussten wir einlegen, da ein erster Besuch beim Fahrradladen notwendig wurde - mein Steuerlager war lose geworden.
In Nordrhein-Westfalen wurde alles besser, das Wetter - und die Schilder, die übrigens für Radfahrer in NRW rot sind, wie in Hamburg, während die in Niedersachsen und Schleswig-Holstein grün sind. Es lebe der Föderalismus. Wir fuhren weiter in gleicher Richtung über individuell zusammengestellte Abschnitte der 1:1 auf unserer 1:150.000 ADFC-Karte verzeichneten und vorzüglich ausgeschilderten Alltagsrouten bis kurz vor Hörstel. Zwischenzeitlich ist uns leider ein Übergabegüterzug (oder was auch immer) auf der Bahnstrecke Rheine-Recke knapp durch die Lappen gegangen. In Hörstel zeigte sich mal wieder, wie gefährlich es ist, mit einer 1:150.000 Radkarte außerhalb der verzeichneten Radrouten zu fahren, wir landeten auf einem im Gewerbegebiet endenden Radweg entlang eines vielbefahrenen Autobahnzubringers. Wir haben uns entlang eines offensichtlich mehrfach benutzten Pfades bis zu einem kreuzenden Radweg durchgeschlagen und sind in den Ort gefahren, von dort über den Dortmund-Ems-Kanal. In Bevengern haben wir zur Sicherheit die öffentliche Karte an der Touri-Info aufgesucht, und sind ab dort wieder auf ausgeschilderten Alltagsrouten durch herrliche Felder über gut ausgebaute, meist asphaltierte, Feldwege bis kurz vor Emsdetten gefahren - der Weg führte direkt an dem am Vorabend gebuchten Waldhotel vorbei.
Das schöne Hotel lag außerhalb (fast im Funkloch), der Weg zum Griechen war mit einer knapp 4km langen Radtour ins Zentrum Emsdettens verbunden - einer gesichtslosen, anscheinend ab den frühen 70ern stark gewachsenen Stadt, quasi ein Mittelzentrum. Dort ließen wir den Tag ausklingen, der aufgrund von vielen asphaltierten Straßenabschnitten und dem unterstützenden Nordwind unsere schnellste Etappe war-leider lag der Schnitt immer noch (aber nur ganz knapp) unter 20.
24.9. Emsdetten-Dorsten 110km
Am nächsten Tag sollte eine unserer schönsten Etappen starten. Zunächst konnten wir auf dem vom Vortag bekannten Radweg in die Stadt Emsdetten fahren, um von dort der Ausschilderung Richtung Nordwalde zu folgen - da wir für den ersten Abschnitt bis Coesfeld keine Detailkarte hatten, sind wir streng den Ausschilderungen des Radroutennetzes NRW gefolgt. Wie schon an den letzten beiden Tagen ging es durch landwirtschaftlich sehr intensiv genutzte Gebiete, wir haben unglaublich viele Trecker in allen möglichen Formen gesehen. Landschaftlich wurde es zum erstenmal etwas hügelig, denn mit Altenberge und Billerbeck haben wir die Baumberge gequert.
In Billerbeck haben wir, auf meinen ausdrücklichen Wunsch, eihne Ehrenrunde um den Ludgerusdom gedreht, und sind danach weiter Richtung Coesfeld gefahren. Der Verkehr auf der Straße nach Coesfeld war jedoch so gering, dass wir die Radrouten verlassen haben, und freestyle nach Coesfeld gefahren sind. Der Bahnhof Lutum als Foto und Pausenstandort lag geradezu ideal auf der Route. Kurz vor Coesfeld konnten wir das erste meiner Geschenke nutzen, nämlich die Radkarte rund um Borken im Maßstab 1:50.000. Mit diesem Supermaßstab fühlt man sich natürlich sicher, und wir haben immer mal wieder die ausgeschilderten Routen verlassen - stattdessen haben wir uns ab Coesfeld eng an die Bahnstrecke Coesfeld-Dorsten gehalten. Wie immer, wenn wir uns eng an eine Bahnstrecke gehalten haben, kamen wir nicht so schnell voran, da ja in jede Richtung stündlich Fotomotive vorbeirollen.
Kleinere Schwierigkeiten gab es erst kurz vor Dorsten, da unsere Detailkarte in Wulfen aufhörte, und auch die Ausschilderung für Fahrradfahrer alt und nur teilweise vorhanden war. Aber irgendwie sind wir nach Gefühl bis zur Kanalbrücke gekommen, und da Clemens fast direkt am Kanal (Wesel-Datteln-Kanal) wohnt, galt es nur noch, die richtige Ausfahrt zu finden, um nicht bis Wesel durchzufahren. Ich war ziemlich stolz, dass wir alles ohne Fragen gefunden haben. Genauso leicht haben wir den Schlüssel gefunden, den meine Tante Annemarie im Blumenkasten versteckt hatte - wie telefonisch verabredet.
Da beide, Clemens und Annemarie, nicht da waren, sind wir abends in die Stadt gegangen um Essen zu gehen. Das gestaltete sich ziemlich schwierig, denn zunächst empfing Dorsten uns mit der beinahe Bauruine Lippetor-und auch in der Stadt ging es nicht viel besser weiter, denn eigentlich gibt es nur Bücherläden, billig-Klamottenläden, Eisdielen und Dönerbuden. Nach längerer Suche sind wir bei einem sehr günstigen, allerdings auch guten, Chinesen in der Fußgängerzone gelandet. Am späteren Abend sind wir wieder in die Hermannstraße gefahren, und fast zeitgleich mit Annemarie angekommen. Wir haben uns noch lange nett unterhalten, insbesondere die beiden studierten Geografen Annemarie und Steffen hatten natürlich ein gemeinsames Thema.
25.9. Ruhetag 0km
Den bequemsten Tag hatten wir am Freitag in Dorsten: die Räder blieben stehen. Stattdessen haben wir uns mit dem VRR durch die Lande bewegt: nachdem wir zunächst zu Fuß zum Bahnhof gegangen sind, ging es auf Schienen nach Wanne-Eickel, denn der Plan war von Dortmund aus das Ruhrgebiet bis Düsseldorf aufzurollen und in Oberhausen zu enden. Im Zug merkten wir, dass das ein ziemlich ehrgeiziger Plan ist, und sind deshalb in Wanne-Eickel gleich umgedreht und über Duisburg direkt nach Düsseldorf gefahren. Ein wenig haben wir, bei schönstem Sommerwetter, das Flair der in der Nachkriegszeit gewachsenen, größten japanischen Gemeinde Deutschlands genossen, kopfschüttelnd die Kö gekreuzt bis wir schließlich am Rheinufer an dem Deutschen Strom promeniert sind. Gefesselt hat uns eher der Medienhafen, eine kleine Hafencity in Düsseldorf - und natürlich die alten Straßenbahnen aus den guten 60ern, die in Düsseldorf immer noch ein unverzichtbares öffentliches Verkehrsmittel sind.
Am Nachmittag ging es dann noch kurz nach Oberhausen ins Centro, aber irgendwie waren wir nicht Zielgruppe, diese Mall ist mehr für kleine Mädchen voller Tusche im Gesicht und angeklebten Wimpern. Egal, ein wenig amerikanisch waren die Dimensionen schon - nur die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Dank der ÖPNV-Trasse denkbar unamerikanisch - dafür umso interessanter für uns. Gott sei Dank kamen wir so wieder schnell ins Stadtzentrum, um kurz danach in einem Talenttriebwagen der Prignitzer Eisenbahn nach Dorsten zu fahren.
Abends war dann auch Clemens fast zeitgleich mit uns eingetroffen - und dann sind wir, auf unseren Wunsch hin - noch zu einem Italiener gefahren, um unsere Gastgeber einzuladen. Gelandet sindet wir bei Mario, einem neueröffneten Restaurant, dessen Name an den mittlerweile verstorbenen italienischen Gastwirt Mario erinnert. Das Essen war sehr gut, aber die Rechnung wurde dann doch mehr oder weniger geteilt. Auch an diesem Abend gab es in der Folge noch ein paar nette Unterhaltungen im Wohnzimmer von "Onkel und Tante".
26.9. Dorsten-Wegberg 105km
Dorsten verlassen haben wir, in Absprache mit den ortskundigen Gastgebern, entlang des Kanals in Richtung Wesel. In Gahlen, im nächsten Dorf also, erreichten wir zum ersten Mal die Niederrhein-Route. Anders als klassische Radwanderrouten ist die Niederrheinroute keine Direktverbindung, sondern sie besteht aus verschiedenen ineinanderverschachtelten und immer wieder quer verbundenen Schleifen und Abschnitten. Auf insgesamt 2000km, davon ca. 1200km als sogenannte Hauptroute und 800km als Nebenrouten, schlängelt sich dieser in unterschiedlicher Qualität ausgeschilderte Radweg durch das Flachland beiderseits des Rheins. Den ganzen Tag sollte uns die Niederrheinroute begleiten, als Kartenmaterial hatten wir entsprechend den Radatlas Niederrhein im Gepäck. Zwar haben wir die eine oder andere Schleife jeweils abgekürzt, über kurz oder lang sind wir jedoch immer wieder auf irgendeinen Ast der Niederrheinroute gestoßen. Die Etappe versprach bezüglich der Navigation schwer zu sein, schließlich galt es durch dicht besiedelte Gebiete zu fahren und Städte wie Dinslaken, Moers, Krefeld und Viersen zu durchqueren.
Das erste Etappenziel Dinslaken musste auch gleich zu einem Zwangsaufenthalt genutzt werden, da bei Steffens Fahrrad eine Strebe gebrochen war und an einem großen Fahrradgeschäft ersetzt wurde. Hinter Dinslaken ging es mit einer kleinen Fähre über den Rhein, durch Baerl ging es Richtung Moers. In Moers war die Ausschilderung wahrlich schlecht, in manchen Stadtteilen kennzeichneten nur kleine Aufkleber den Verlauf der Niederrheinroute, der wir mal wieder folgten. Gott sei Dank fanden wir, nachdem wir uns schon mal verhauen hatten, mit Hilfe des Radatlases den richtigen Abzweig von der Hauptstraße in Moers auf einen ehemaligen Bahndamm, auf dem wir weiter Richtung Kapellen fuhren. Dann verließen wir kurz die Niederrheinrouten und sind "direkt" über Traar nach Krefeld gefahren, wo wir auch mehr oder weniger blind in die richtige Richtung gefahren sind, der Radatlas ist mit seinem Maßstab 1:75.000 in Städten nur eine begrenzte Hilfe. Wir haben uns zwar nie wirklich verfahren, mussten uns aber noch einmal kurz neu orientieren. Aus Krefeld raus ging es über Hauptstraßen nach Tönisvorst, und hinter der Stadtgrenze von Krefeld gab es auch wieder eine deutlich bessere Ausschilderung für Radler, der wir bis hinter Viersen (hier wieder unabhängig von der Niederrheinroute) gefolgt sind.
Ab Mönchengladbach Hardt sind wir dann direkt über Straße am Nato-Hauptquartier vorbei Richtung Wegberg gefahren. Wegberg war, sowohl für Autos, als auch für Radler, erst sehr spät ausgeschildert, und irgendwie haben wir erst einen Abzweig verpasst und einen kleinen Umweg eingelegt, und sind dann zu weit südlich von Wegberg reingekommen. Ein kurzes Telefonat mit Andreas, unserem Gastgeber, half, den richtigen Weg bis zu seinem Haus zu finden. Vorher haben wir noch schnell die Gastgeschenke beim örtlichen Edeka gekauft, nur einen Steinwurf von seinem Reihenhäuschen entfernt.
Die kleine Leonie, Claudia und Andreas haben uns schon erwartet, und wir kamen gerade rechtzeitig zu dem Rotweinbraten, den Andreas extra für uns gemacht hat. Auch dieser Abend war noch durch längere sehr nette Unterhaltungen geprägt, aber irgendwann sind die jungen Eltern und wir ins Bett gefallen - die arme Leonie musste natürlich schon früher schlafen gehen.
27.9. Wegberg-Aachen 50km
Es versprach eine leichte Etappe zu werden, denn die Strecke betrug lediglich ca. 50km, das Gelände ist komplett flach, und das Wetter war für Ende September bombig. Fast hätten wir die kurzen Hosen rausgeholt. Aber vor dem Radeln stand noch das Vormittagsprogramm an: Andreas Eltern - meine Paten - Rita und Bernhard sind zum Frühstück vorbeigekommen - es war der erste Besuch bei der Enkelin nach dem mehrwöchigen Aufenthalt in Norddeutschland. Gemeinsam haben wir noch einen kleinen Stadtrundgang durch die schmucke Kleinstadt Wegberg gemacht, und erst gegen 12:00Uhr sind wir mit dem Fahrrad auf die kürzeste Etappe aufgebrochen.
Aber nicht die schlechteste. Zunächst ging es weiter durch das dichtbesiedelte Niederrheingebiet über Hückelhoven nach Randerath - und ab da begann der schönste Teil der Route. Bei schönstem Sommerwetter folgten wir dem "Wurmbach" über Geilenkirchen und Übach-Palenberg bis nach Herzogenrath. Wir waren nicht die einzigen auf dieser gut ausgebauten, flachen und ruhigen Fahrradroute. Ehrlich gesagt war an diesem sonnigen Sonntagnachmittag sehr viel auf den Radwegen los. Anscheinend ist das oft so, denn die Ausschilderung war vorbildlich. Neben den "üblichen" Wegweisern sind in der gesamten Regionen auch kleine rote Nummern ausgeschildert - dabei handelt es sich um sogenannte "Knotenpunkte". Und an diesen Knotenpunkten steht jeweils eine Übersichtskarte mit Darstellung der gesamten ausgeschilderten Routen und den Nummern der Knotenpunkte im näheren Umkreis von ca. 20km mal 15km. Dank dieser Karten konnten wir uns auch ohne eigenes regionales Kartenmaterial gut von Punkt zu Punkt weiter orientieren.
Interessant war die Fahrt durch die deutsch-niederländischen Grenzorte Herzogenrath und Kerkrade. Ich weiß gar nicht, wie of wir die Grenze überschritten haben. Ein doppelter Straßenname wurde uns kurz zum Verhängnis, aber schließlich fanden wir sicher den Weg über Haus Heyden nach Aachen - und landeten auch direkt am Wiesenweg bei Thomas Haus. Christiane kam erst ca. eine Stunde später, da sie noch kurz bei der Arbeit war, so dass uns noch genügend Zeit zum Duschen blieb.
Am späten Nachmittag sind wir dann alle gemeinsam in die Stadt gefahren. Christiane hat uns bei einem kleinen Rundgang die Stadt und den Dom gezeigt, Thomas die omnipresente RWTH und ich die noch im Ausbau befindliche neue Hauptverwaltung der Aachen-Münchner Versicherung. Anschließend snd wir noch in eines der besten chinesischen Restaurants, in denen ich je war, gegangen. Bei dem anschließenden kleinen Bummel zurück durch die Stadt sind wir nicht nur bei einer Eisdiele, sondern auch noch kurz bei der SPD-Wahlparty (oder mehr Trauerfeier) hängengeblieben. Am Abend haben wir uns noch nett unterhalten, bis wir dann ins Bett gefallen sind.
28.9. Aachen-Bonn 110km
Nach einem ausgiebigen Frühstück sind wir recht früh aufgebrochen, schließlich musste Thomas noch zur Arbeit. Unser erstes Etappenziel war der riesige Buchladen Mayrsche Buchhandlung in der Innenstadt von Aachen, um das weitere Kartenmaterial zu kaufen. 12 Minuten nach Ladenöffnung waren wir dann auch da, haben die notwendige Karte geholt und sind dann weiter aufgebrochen. Zunächst ging es über eher langweilige Routen - unter Umgehung der Hügel bei Stolberg - durch Eschweiler nach Düren. Hinter Düren ging es über etwas nettere Routen Richtung Erftstadt, vor dem Zentrum sind wir aber in südlicher Richtung abgebogen. Bei Weilerswist mussten wir noch einen kleinen Hügel erklimmen, bevor es dann runter in das Rheintal ging. Bis hier waren die Routen wie fast überall in Nordrheinwestfalen sehr gut ausgeschildert, aber jetzt waren wir in der Kölner Gegend angelangt. Und wie die Kölner so sind, war zwar an jeder Kreuzung der Weg nach Köln-Zentrum ausgeschildert, aber die übrigen Wegweiser wirkten lieblos und unlogisch. Unser geplantes Ziel Bonn war erst ab einer Entfernung von 6km ausgeschildert. Trotzdem fanden wir, streckenweise nach Gefühl, immer wieder den Radweg Richtung Bonn Zentrum und sind wieder über eine sehr angenehme Route entlang der Bahnstrecke in die Stadt geführt worden - und plötzlich standen wir vor der Bonn Information. Das traf sich gut, denn da wir sehr früh aufgebrochen waren und nur eine kurze Pause gemacht hatten, waren wir schon recht frühzeitig in Bonn und hatten noch kein Hotel reserviert. Steffen wurde eine kleine Pension in Bonn Beuel empfohlen - die idealerweise auch noch in Richtung der Sieg lag, unserer für den nächsten Tag geplanten Route.
Wir wären ja gerne in das Haus der Geschichte gegangen, was sogar gut möglich gewesen wäre, weil es erst kurz nach fünf war, und dieses Museum bis 19:00Uhr geöffnet ist, wie das Internet verriet. Aber es war Montag - und wie die meisten Museen bleibt auch das Haus der Geschichte am Montag geschlossen. Alternativ sind wir mit der U-Bahn (die fast direkt vor dem Hotel hält) zum Posttower und Langen Eugen gefahren und von dort langsam den Rhein entlang in die City gelaufen. Dort gestaltete sich die Suche nach einem Supermarkt als schwierig, in der Lebensmittelabteilung von Galeria Kaufhof sind wir dann hängengeblieben. Den Abend haben wir dann mit Kölsch und deutscher Küche ausklingen lassen. Es war übrigens der letzte Tag mit ausnahmslos gutem Wetter, es war zwar deutlich kühler als die Tage zuvor, aber alles in allem immer noch schön.
29.9. Bonn-Siegen 125km
Am Morgen überraschte uns neben einem typischen deutschen Hotelfrühstück auch ein eher durchwachsenes Wetter. Es war deutlich kühler - und bedeckt. Von unserer kleinen Pension war der kurze Weg Richtung Siegtal schnell gefunden. Und wie wir das schon von den vorangegangenen Tagen gewohnt waren, war auch hier eine hervorragende Ausschilderung vorhanden. Wir machten uns keine Sorgen, dass wir nicht für den gesamten Abschnitt bis Siegen eine Detailierte Karte hatten und fuhren den Schildern hinterher. Obwohl der Weg zunächst gut ausgebaut war, waren wir mehr oder weniger die einzigen Radler weit und breit. Und wir stellten fest, das der Radweg stark dem mäandrierendem Flusslauf folgt - viele Kilometer Radweg verbinden eine kurze Entfernung per Luftlinie. Trotzdem glaubten wir immer noch, mindestens bis Siegen, wenn nicht gar noch deutlich weiter zu kommen.
Bald hatten wir völlig die Orientierung verloren, wir folgten nur den Schildern durchs dicht besiedelte Siegtal, immer am Fluss längs. Noch am Vormittag, kurz nach unserem Einkauf, gab es bei Marten die erste Überraschung: Der Weg war streckenweise kein Radweg, sondern auf einem Abschnitt eher ein mäßig befestigter Pfad am steilen Ufer der Sieg, und über eine unbefestigte, steile und enge Abfahrt ging es wieder runter auf die Flussebene. Naja, der Weg wurde wieder besser, wir machten eine Pause - aufgrund des feuchten Wetters an einer Bank, und spekulierten immer noch, weiter als bis Siegen zu fahren.
Das Tal wurde immer enger, der Weg führte teilweise als Bundesstraßenbegleitender Radweg, aber kurz nach Au(Sieg) hörte schlagartig die lückenlose Ausschilderung auf. Es gab nur wenige, deutlich anders gestaltete Schilder. Wir fanden trotzdem die weitere Route, und kurz danach kam auch noch eines der bekannten roten Schilder - und dann waren die Schilder weg. Es gab nur noch selten die andere Variante. Und Steffen erkannte dann an den Autokennzeichen, dass wir in Rheinland Pfalz im Landkreis Altenkirchen waren - und nicht mehr in Nordrhein-Westfalen mit den guten Radwegschildern. Und somit hatten wir ein echtes Abenteuer vor uns: ohne detaillierte Karte, ohne Ausschilderung weiter dem Siegtalradweg folgen. Ausgebaute Radwege gibt es im Rheinland Pfälzischem Abschnitt kaum, der Siegtalradweg folgt der Bundesstraße, manchmal auf primitiven schmalen asphaltierten Radstreifen seitlich der Straße, oft ohne Radweg, und wenn es eine andere alternative Straßenverbindung gibt, dann dieser. So sind wir einen steilen asphaltierten Feldweg nach Dünenbusch hoch und einen anderen wieder runter geschickt worden. Es war der härteste und steilste Bergabschnitt der gesamten Tour. Zwischen Wissen und Betzdorf sind wir komplett auf oder entlang der B62 gefahren - der Siegtalradweg führt zwar offiziell immer mal wieder auf parallelen Wegen, aber die waren ohne brauchbare Schilder nicht zu finden. Es war der unangenehmste Abschnitt der ganzen Etappe, mit vielen Kurven, und immer dichter werdendem Verkehr mit einem hohen LKW-Anteil.
In Betzdorf waren wir am Stimungstiefpunkt der gesamten Reise angelangt, Steffen faselte schon etwas von Weiterfahrt per Zug nach Siegen. Es war gegen 16:30Uhr, und es war noch viel zu regeln. Wir haben Getränkevorräte nachgekauft, und mussten die Unterbringung und die Weiterfahrt klären. Per Handyinternet haben wir das erstbeste bezahlbare Businesshotel in Siegen gefunden und gebucht. In der Touriinfo haben wir uns mehr schlecht als recht mit Stadtplan und grober Regionalkarte versorgt, aber über Radrouten gab es keine Infos. Dank des Stadtplans haben wir den Radweg nach Kirchen gefunden - und dort wieder auf die vielbefahrene Bundesstraße? Die einzige Radlerin weit und breit haben wir einfach gefragt, und sie gab uns tatsächlich den richtigen Tipp: nicht auf der Bundesstraße weiterfahren, sondern den Berg hoch und über Katzenbach und Brachbach nach Siegen. Kurz vor Siegen war wieder alles gut, zwar fing es an zu regnen - aber wir waren wieder in Nordrhein-Westfalen, und die Radrouten waren wieder Tipp-Topp ausgesbaut und beschildert. In Siegen selbst führte uns dann Google-Maps auf dem GPS-Handy direkt bis zu dem schönen Hotel am Stadtrand. Klitschnass, völlig ausgehungert und ziemlich fertig kamen wir an. Die Kraft reichte nur noch für einen kurzen Abstecher zum nächsten Lokal - dem ältesten Gasthaus Siegens. Mit teurer Hausmannskost und unfreundlicher Bedienung ließen wir den Abend ausklingen und fielen bald danach in unser Bett. Wir erwarteten schließlich die härteste Etappe: Die Fahrt über den Rothaarkamm am nächsten Tag...
30.9. Siegen-Frankenberg 103km
Am Morgen waren wir zum ersten Mal richtig genervt vom andauernden Ein- und wieder Auspacken der gleichen Klamotten in die gleichen Fahrradpacktaschen. Egal, wir konnten uns dazu Durchringen wieder alles fertigzumachen und sind nach dem obligatorischen Frühstück bei schon frühherbstlichem Wetter aufgebrochen - es war eher bedeckt und ein wenig diesig. Dank der im Bereich Siegen vorhandenen detaillierten Karte M 1:50.000 sind wir am Rande der Stadt auf ruhigen Wegen aus Siegen rausgefahren und kamen auf das gut ausgeschilderte Nordrhein-Westfälische Radroutennetz - dem wir ab jetzt bis zur Landesgrenze folgten. Zunächst ging es auf schönen Wegen mit immer noch recht sanften Wegen bis nach Deuz. Dort suchten wir den Bäcker auf, um unsere Verpflegungsvorräte aufzufüllen, und legten eine längere Fotopause ein. Eine V60 in altrot war Steffen vor die Linse gefahren. Die gehört einem Mittelständischen Betrieb (Walzen Irle), der eine kurze, nicht mit dem übrigen Bahnnetz verbundene Strecke unterhält, auf der Transporte zwischen zwei Werksstandorten abgewickelt werden. Und wir waren dabei!
Ab Deuz ging es immer steiler und schneller bergauf auf den Rothaarkamm - zunächst noch auf asphaltierten Wirtschaftswegen abseits der Straßenverbindung, die letzten Kilometer dann direkt auf der Straße. Erst kurz vor dem Erreichen des Quellgebiets haben wir das Siegtal verlassen und sind einer Querverbindung über den Sattel zwischen der Ederquelle und der Siegquelle gefolgt. Der Aufstieg war weniger anstrengend und steil als ich vermutet habe, aber nichtsdestotrotz sind wir sicherlich eine knappe halbe Stunde mit unter 10km/h den Berg raufgekrochen. Oben haben wir eine Foto- und Verschnaufpause gemacht, die Stimmung wurde gut, denn gerade begann die Sonne raus zu kommen, und wir wussten: Bis Kassel geht es nur noch bergab. Der schönste Streckenabschnitt - lag auch unmittelbar vor uns: Ab dem Sattel folgten wir dem Flüsschen Benfe für 10km bis nach Erndtebrück, wo wir auf den Ederradweg trafen. Diesem sollten wir für die nächste zwei Tage bis zur Mündung folgen. Die Fahrt wurde langsamer, als vermutet, da der Ederradweg großteils auf unasphaltierten Wirtschaftswegen verläuft. Kurz hinter Erndtebrück machten wir unsere Mittagspause - direkt an einer Regionalbahnstrecke gelegen, damit man auch schön fotografieren kann. Wir legten fest, bis nach Frankenberg zu fahren, und suchten uns per Handyinternet einen kleinen Gasthof, wo wir recht telefonisch ein Zimmer reserviert haben. Taktisch war es klug, das am Mittag zu machen, denn irgendwann am Nachmittag wurde meine Simkarte aufgrund des Betreiberwechsels deaktiviert. Die neue hatte ich zwar mit, aber nicht die PIN...
Wir folgtem dem Ederradweg, der auch in Hessen genausogut um umfassend wie in Nordrhein-Westfalen ausgeschildert ist. Allerdings wieder mit grünen Schildern. Überraschend ging es auf großer Länge auf einer ehemaligen Bahntrasse entlang - zwar nicht asphaltiert, aber dafür ruhig und steigungsarm. Am letzten Abschnitt ab Battenberg wurde das Edertal schon ziemlich flach, aber die Fahrt wurde zunehmend anstrengend. Wir hatten schon einiges in den Beinen, und so haben wir es tatsächlich geschafft, uns in Frankenberg noch zu verfahren, und erst beim zweiten Anlauf den Stadtplan am großen Parkplatz gefunden, um dann festzustellen, dass wir schon fast an unserem Gasthaus vorbeigefahren waren. Die Unterkunft war eher einfach, aber uns war alles recht. Bei der Suche nach einer Pizzeria - wir wollten unbedingt nach zwei Tagen Deutscher Küche wieder eine Pizza essen - gestaltete sich schwerer, als gedacht. Wir sind lange durch die City gelaufen - jetzt wissen wir, warum Frankenberg Frankenberg heißt. Die Stadt liegt auf einem Berg... Fündig geworden sind wir nach langer Suche in unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft, und die lange Suche hat sich wirklich gelohnt. Wir haben sehr gut gegessen und wurden sehr freundlich bedient.
1.10. Frankenberg-Kassel 122km
Der letzte Morgen begrüßte uns mit richtigem Regen. Unser kumpelhafter und hemdsärmliger Vermieter hat uns auch gleich angeboten, noch eine Nacht in Frankenberg zu bleiben. Wir haben aber dankend abgelehnt, und uns auf den Weg gemacht. Es hörte nauch schon auf zu regnen, als wir beim Bahnhof raus waren - ich habe mir eine Heimfahrkarte für den 2. ab Kassel geholt. Und es ging wieder auf den Ederradweg, unser erstes Etappenziel war der Edersee. Dieser Stausee hat eine beachtliche Größe, und natürlich einen stark schwankenden Wasserstand. Als wir am Südufer langfuhren wirkte der See gespenstisch, da er über Kilometer nur ein kleines Rinnsal führte. Es war ein absoluter Niedrigwasserstand. Auf unser Fahrt am Seeufer entlang begann es wieder richtig zu regnen, aber als wir an der Staumauer ankamen, war es schon wieder vorbei, und wir haben die Chance genutzt und gleich die Mittagspause eingelegt.
Hinter der Edertalsperre öffnete sich das Tal, und es wurde breit und flach. Durch Felder und Wiesen folgten wir dem Radweg bis zur Edermündung bei Grifte - lediglich durch einen kurzen Stopp beim Fahrradladen in Fritzlar und eine kleine Umleitung unterbrochen. Ab Grifte ging es dann entlang der Fulda nach Norden. Ich fuhr wie im Trance Steffen und den liebgewonnenen grünen Schildchen des ADFC hinterher. Ein kurzer Schauer erwischte uns nochmal kurz vor der Stadtgrenze von Kassel, aber da haben wir uns kurz an einer Autobahnbrücke untergestellt. Die Einfahrt in unseren Zielort Kassel gestaltete sich Dank Steffens Ortskenntnis einfacher als gedacht, und so sind wir dann wohlbehalten am Zielort angekommen. Und wir waren fertig, richtig fertig. Die ganze Last des ewigen Weitermüssens der vergangenen anderthalb Wochen fiel von uns ab, und wir mussten uns geradezu zwingen, überhaupt noch mal Einkaufen zu fahren. Mit einem selbstgekochten Pastagericht in legeren Klamotten ging der Urlaub zu Ende, und wir waren mächtig stolz, die gesamte Strecke geschafft zu haben. Keine zehn Pferde hätten mich an dem Abend noch Überreden können, mit dem Fahrrad weiter Richtung Hamburg zu fahren. Am 2.10. hatte ich stattdessen morgens den Fahrradstellplatz im InterCity-Zug nach Hamburg reserviert.